Jetzt haben wir es amtlich

Wien. (mh). Kein Ende der Misere in Sicht! Die Studienkommission der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien hat am 15. April 1988 im Hinblick auf § 2 Abs 3 Studienförderungsgesetz, gestützt auf § 58 lit j UOG folgenden Beschluss gefasst:

Lehrveranstaltungen
"Da die Lehrveranstaltungen insgesamt überfüllt sind, erscheint daher der Ertrag für den einzelnen Studierenden relativ gering. Es ist eine banale aber nichts desto weniger richtige Erkenntnis, dass der Nutzen für den Studierenden mit der Zahl der Studierenden, die im Hörsaal sitzen, stetig abnimmt. Eine Vermehrung des Lehrangebots insbesondere durch Splitten der Lehrveranstaltung ist nicht möglich, da die Professoren und andere Universitätslehrer ohnehin das Maximum ihrer Lehrverpflichtung ableisten. Das vom Ministerium genehmigte Lehrauftragsvolumen ist völlig ausgeschöpft.
Auch die Anlage des Studiums nach dem Bundesgesetz vom 2.3.1978 über das Studium der Rechtswissenschaften trägt erheblich dazu bei, dass das Studium nicht in der gesetzlich vorgesehenen Zeit absolviert werden kann. Nach zwei Einführungssemestern, die zumeist von den Student/innen schon überschritten werden, muss jeder Studierende in sechs Semestern achtzehn Prüfungen absolvieren."

Studiengesetz
"Jedenfalls bei intensivem Studium durch die Studierenden erscheint es in Ansehung des bekannten Massenbetriebes nicht möglich, einen Prüfungstermin zu jenem Zeitpunkt zu erhalten, an dem das Optimum der Vorbereitung für die Prüfung geleistet ist. Die Terminwahl ist ebenfalls durch den Massenbetrieb determiniert und die daraus resultierende Überlastung der Prüfer macht Wartefristen unvermeidbar. Die durch die Verwaltungsvorschriften vorgegebenen Fristen machen es notwendig, dass während des Verlaufs des Semesters schriftliche Prüfungen vorgesehen werden, die dieses Semester für die Absolvierung normaler Studien wertlos machen."

Bibliothek
"Für das Studium und die Absolvierung der Prüfung ist die Benutzung wissenschaftlichen Schrifttums und rechtswissenschaftlicher Literatur in Form von Zeitschriftenaufsätzen unumgänglich. Die Ausstattung der Bibliothek mit diesem Material ist dürftig. Wird der/die Student/in durch die Anschaffung des normalen unumgänglichen Lehrbuchartgebots finanziell ohnehin schon an die Grenzen seiner/ihrer Leistungsfähigkeit belastet, so übersteigt jedenfalls in der Regel die Anschaffung derartiger Werke infolge der extrem hohen Preise die finanziellen Möglichkeiten der Studierenden. Um den Zugang zu diesen Studienmitteln zu erhalten, muss der/die Student/in daher ebenfalls häufig genug Wartefristen in Kauf nehmen.
Wenn der/die Studierende Lehrbücher und sonstige Studienbehelfe auf eigene Kosten anschafft, muss er/sie nicht selten das Geld dazu durch eigene Arbeit verdienen. Auch daraus ergeben sich Studienverzögerungen.
Die aus diesem Resümee resultierenden Studienverzögerungen liegen nicht im Bereich persönlicher Umstände der Studierenden. Daher erscheint eine weitere Überschreitung über das von der Studienkommission angenommene Ausmaß von 14 Semestern durch private Umstände durchaus möglich. Das ergibt sich daraus, dass die durchschnittliche Studiendauer für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften 14 Semester beträgt. Dieses Ausmaß von genauen 13,6 Semestern ist für ganz Österreich erhoben. Wegen der besonders ungünstigen Studienbedingungen in Wien ist dieser Wert für Wien daher sicherlich weitaus höher zu veranschlagen. Weitere im Studienbetrieb liegende Verzögerungen scheinen durchaus denkbar. Für weitere detaillierte Untersuchungen fehlen jedoch der Studienkommission die personellen und finanziellen Ressourcen.
Die Studienkommission begründet diesen Beschluss durch ihre Erhebungen, durch die Erfahrung, welche ihre Mitglieder im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit in den verschiedenen Universitätsgremien und schließlich auch durch ihre eigenen Studien gewonnen haben." Dieser auf einer oberflächlichen Untersuchung beruhende Beschluss der Studienkommission verdeutlicht einmal mehr die katastrophalen Studienbedingungen. Dieser Notstand herrscht nicht nur am Juridicum, sondern an allen Universitäten. Die Rektorenkonferenz forderte 20 Milliarden Schilling um einen ordentlichen Wissenschaftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Stellvertreterpolitik à la AG bringt keine Verbesserungen, die Betroffenen müssen selbst aktiv werden.

Quelle: Stuko-Beschluss 15.04.1988