juridikum 2/2023, Thema: Abtreibung, 2023, Heft 2, S. 186 - 195, recht & gesellschaft

Gleichheit und ziviler Ungehorsam

Mit dem Begriff ziviler Ungehorsam wird beansprucht, dass eine illegale Protestaktion trotz ihrer Illegalität legitim ist. Philosophische Theorien zivilen Ungehorsams geben Antworten auf die Frage, worauf sich diese Legitimität stützt. Dieser Text versucht zu zeigen, dass dabei das Grundprinzip der Gleichheit eine entscheidende Rolle spielt. Entgegen dem verbreiteten Argument, die Übertretung von Gesetzen, um politische Änderungen herbeizuführen, sei arrogant, nehmen Aktivist*innen in zivilem Ungehorsam ihr Gegenüber als Gleiche ernst. Ich werde zunächst zeigen, wie das, in Anlehnung an liberale und deliberativ-demokratische Theorien, durch die Ausrichtung dieser Protestform auf einen öffentlichen Dialog und ihre prinzipielle Rechtstreue begründet werden kann. Daraufhin sollen Zweifel radikalerer Theorien an dieser Ausrichtung vor dem Hintergrund des Prinzips der Gleichheit besprochen werden. Diese stellen sich dabei zum Teil als berechtigt heraus, greifen aber nur soweit als dadurch die Anbindung zivilen Ungehorsams an das Prinzip der Gleichheit nicht verloren geht.

juridikum 2/2023, Thema: Abtreibung, 2023, Heft 2, S. 176 - 185, recht & gesellschaft

Vom Wert der Versammlungsfreiheit im demokratischen Rechtsstaat

Eine kritische Auseinandersetzung mit Strafandrohungen und Straferhöhungen für Klimaklebeaktionen

Teile der Politik fordern ein härteres Vorgehen gegen die verkehrsbehindernden Protestaktionen von Klimaaktivist:innen, zuletzt etwa vermehrt in Zusammenhang mit den „Klimakleber:innen“ der Letzten Generation. Derzeit wird das Festkleben auf der Straße in erster Linie verwaltungsstrafrechtlich geahndet; es drohen Geldstrafen. Aus Niederösterreich wurde aber bereits ein Vorschlag für eine Novelle des Versammlungsgesetzes vorgelegt, die auch Freiheitsstrafen vorsieht. Tatsächlich ist die Versammlungsfreiheit ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht, das sowohl in der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch in der Grundrechtecharta verankert ist und einen Eckpfeiler des demokratischen Rechtsstaats darstellt. Höhere Strafen stellen demokratiepolitisch bedenkliche Einschüchterungsversuche dar. Der vorliegende Beitrag soll untersuchen, inwieweit derartige Vorstöße zur Straferhöhung im Spannungsverhältnis zum Recht auf Versammlungsfreiheit stehen.